Vom Kultur bringenden Römer bis zum “Handyaner”
Vom 24.01.2005
Von Kurier-Mitarbeiterin Claudia Weiler
Fidele Elf begeistert mit ihrer großen Prunksitzung in den Rhein-Main-Hallen rund 1 200 Fassenachter / Erst um 3 Uhr hieß es “Auszug!”
Als Kaiser Wilhelm ließ Stefan Fink als Teil der Büttenquadriga Wiesbadens Kaiserzeit wieder auferstehen. RMB/Windolf
Turbulenter Tanz und rasanter Reim, Gesang, Musik und viel, viel Wein – die Fidele Elf ließ bei ihrer großen Prunksitzung keine Gelegenheit aus, die 1 200 Gäste in den Rhein-Main-Hallen in närrische Stimmung zu versetzen.
In Sandalen kommt er dahergelaufen. Und in weißem Gewand. Wie der Sitzungspräsident der Biebricher Wasserflöhe sieht Helmut Fritz nicht gerade aus, wie er da auf der Bühne steht. Und doch verlangt der Mann mit der gestreiften Unterhose unter dem feinen Tuche unsern vollsten Respekt. Schließlich brachten die Römer “uns erst mal die Kultur, denn davon war hier keine Spur”, erinnert Fritz an die Ursprünge der hiesigen Siedlung. Unter dem Motto “2000 Jahre heiße Quellen” nahm die Büttenquadriga aus vier Sitzungspräsidenten am Samstag Abend vor fast ausverkauftem Saal die Wiesbadener Geschichte etwas genauer unter die Lupe. Wolfgang Weimann von der Fidelen Elf tauschte kurz den Präsidiums-Anzug gegen ein Kettenhemd ein und fabulierte, warum die tapferen Krieger ausgestorben sind – es lag an der Rüstung, die eine Fortpflanzung unmöglich machte. Stefan Fink von der Kolping-Familie erinnerte an die gute alte Kaiserzeit, und schließlich nahm Joe Mauer vom CCW als Teil der Generation “Handyaner” die aktuellen Probleme der Landeshauptstadt aufs Korn.
Doch dies war nur einer der Höhepunkte des über fünfstündigen Programms, bei dem die Fidele Elf jede Menge Prominenz aus der Fernsehfastnacht auf die Bühne holen konnte. Der deutsch-italienische Pizzabäcker Ciro Visone brillierte mit sicher pointierten Sprachspielen und das Urgestein Hildegard Bachmann klagte ihr Leid aus dem Leben als Ehefrau eines Mainz 05-Fans. Doch was eine richtige Fastnachtssitzung ist, da darf nicht nur sitzend über die Highlights gestaunt werden. “Schunkel doch mit, komm halt dich fit”, sang der Bretzelmann Horst Becker. Das ließ sich keiner zweimal sagen.
Die gelebte Städte-Freundschaft der Fidelen Elf mit Mainz stellte Hans Peter Betz vom Gonsenheimer Carnevalverein (GCV) auf die Probe, als er mit einem roten Wagen mit zwei weißen Rädern, dem Wappen der Stadt Mainz, die Bühne der Rhein-Main-Hallen betrat – bei der Fidelen Elf kein Problem. Ein paar Seitenhiebe gegen die jeweilige Nachbarstadt können sich die Narren hier getrost erlauben. Schließlich wurde der Verein vor 49 Jahren von Mainzern gegründet und trägt bis heute den Namen Carnevalsgemeinschaft Wiesbaden/Mainz. Und so wird das Programm auch von Künstlern beider Rheinseiten bestritten.
Geiger-Fränzje Klaus Koop (CC Weisenau) zappte durch das Fernsehprogramm und Michael Emmerich (GCV) untersuchte das Phänomen der Fernsehzuschauer mal aus rein wissenschaftlicher Perspektive. Der Mainzer Protokoller Erhard Grohm (MCC) reiste in einer Viertelstunde durch die ganze Welt der Politik: von Hartz IV zu Laurenz Mayer, mit Metin Kaplan in die Türkei und schließlich mit George W. Bush aus den USA wieder zurück nach Mainz.
Dabei kann der Verein auch mit einigen Eigengewächsen aufwarten. Der Nachwuchs der kleinen Showtanzgruppe entführte das Publikum auf eine Reise nach Afrika, Garde und Showtanzgruppe beeindruckten mit ausdrucksstarkem und sicherem Auftritt, und Stephan Pfeifer bot mit seiner Tanzgruppe den bekannten Holz-Michel-Hit in der Ballett-Variante.
Das große Finale der Prunksitzung bildeten die Bischofsheimer Globetrotter, die zu bekannten Melodien ihre eigenen Texte darboten und damit gleich zum bewegteren Teil des Abends überleiteten. Bis tief in die Nacht spielte die Kapelle den Narren zum Tanz, bis es gegen drei Uhr endgültig hieß: “Auszug!”.